Was damals geschah
Der Ausbruch des Vulkan-Systems Eyjafjallajökull im Jahr 2010 fand in den Monaten März bis Mai an zwei etwa 8 km voneinander entfernten Stellen auf Island statt. Die ersten Eruptionen gab es am 20. März am Fimmvörðuháls (Ostrand der Gletscher-Hochebene Eyjafjallajökull), und am 14. April am Rande der Gipfel-Caldera. Weitere Eruptionen, in deren Folge erhebliche Asche-Mengen in die Atmosphäre geschleudert wurden, ereigneten sich bis zum 24. Mai. Dampfwolken über den Vulkanen bildeten sich noch bis zum Juli 2010.
Ab dem 15. April kam es aufgrund von Beschlüssen der Luftfahrtüberwachungsbehörden, einen Großteil des europäischen Flugverkehrs nach Instrumentenflugregeln einzustellen, zu massiven Behinderungen im europäischen und interkontinentalen Flugverkehr. Die Gefahr für den Flugverkehr geht nicht nur von der Erblindung der Cockpitscheiben, sondern vor allem von der Beeinträchtigung der Düsentriebwerke und anderer Flugzeugteile durch Aschepartikel aus. Die Vulkanasche wirkt wie ein Sandstrahlgebläse auf die Außenhülle und die Fenster des Flugzeugs. Die Triebwerke können Schaden nehmen, weil sie die Asche ansaugen, diese im Inneren durch die große Hitze wieder flüssig wird und die Einzelteile und Leitungen verklebt und so zum Ausfall der Düsentriebwerke führen kann, was zwangsläufig zu gravierenden Flugnotlagen führt. Die finnische Luftwaffe veröffentlichte Bilder von Schäden in einem Flugzeugtriebwerk, das kurz vor der Luftraumsperre noch durch die Aschewolke geflogen war.
In Europa wurde ab dem 15. April 2010 der Flugverkehr nach Instrumentenflugregeln in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas für mehrere Tage ganz oder teilweise eingestellt. Tausende von Flügen wurden gestrichen oder zu noch nicht geschlossenen Flughäfen umgeleitet. Eurocontrol gab an, dass am 15. April ein Viertel der täglich rund 28.000 Flugverbindungen ausgefallen sei. Es war die größte Störung des Luftfahrtverkehrs seit den Anschlägen vom 11. September 2001.
Die Sperrungen des Luftraums nach Ausbruch des Eyjafjallajökull waren geprägt von Unwissenheit. Weitgehende Unklarheit herrschte sowohl über die in den Lufträumen tatsächlich vorhandene Konzentration der Asche als auch über die Konzentration, ab welcher mit gefährlichen Auswirkungen auf Flugzeugturbinen zu rechnen ist. Bislang war angenommen worden, dass Aschewolken, die auf Satellitenbildern sichtbar sind, eine Gefahr für Luftfahrzeuge darstellen können.
Ab dem 21. April wurde in Mitteleuropa zunehmend wieder normaler Flugbetrieb aufgenommen, in Skandinavien hingegen verschlechterte sich die Lage gebietsweise bis zum 23. April wieder.
Am 3. Mai 2010 wurde der Flugverkehr in Irland erneut gestoppt. In den folgenden Tagen waren auch Spanien und Norditalien von Beeinträchtigungen beziehungsweise Verboten im Flugverkehr betroffen. Am 9. Mai 2010 wurde der Münchner Luftraum aufgrund der hochkonzentrierten Aschewolke gesperrt. Auch der österreichische Luftraum wurde in der Nacht auf den 10. Mai 2010 abermals gesperrt; betroffen waren alle Flughäfen des Landes. Das Ausmaß der Flugstörungen war jedoch weitaus geringer als im April.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Auswirkungen auf Luftfahrtunternehmen
Die finanziellen Folgen durch die Flugsperren für die betroffenen Luftfahrtunternehmen wurden auf etwa 150 Millionen Euro täglich beziffert, diese sind gegen solche Fälle aufgrund ihrer Seltenheit nicht versichert und fürchteten, die Kosten selbst übernehmen zu müssen. Ende April gab die Europäische Kommission seitens EU-Verkehrskommissar Siim Kallas – unter Berufung auf die Branchenverbände – Umsatzausfälle zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Euro an, und summierte 10 Millionen betroffene Personen und 100.000 gestrichene Flüge.
Nach einer Woche der Flugbehinderungen kursierten in der Presse Aussagen über einen bisherigen volkswirtschaftlichen Schaden in „Milliardenhöhe“, ein Betrag, der vonseiten der Wirtschaftsforschung als „unseriös“ bezeichnet wurde: Betriebsausfälle werden erfahrungsgemäß längerfristig wieder aufgeholt, Umsatzrückgänge im Flugverkehr werden in anderen Sektoren des Transportwesens kompensiert: Da in der Folge der Beeinträchtigung viele Passagiere innerhalb Europas auf die Bahn umstiegen, meldeten die Bahnunternehmen einen deutlichen Anstieg der Passagierzahlen – bis hin zur Überlastung der Züge – im internationalen Verkehr. Auch der Schiffsfährdienst am Ärmelkanal und die Autovermieter berichteten von Rekordumsätzen.
Auswirkungen auf die isländische Wirtschaft
Am 11. Mai 2010 beliefen sich Schätzungen bzgl. des durch den Ausbruch für die isländische Wirtschaft verursachten Schadens auf ca. 2,5–3,7 Millionen Euro – eine beträchtliche Summe angesichts einer Bevölkerung von nur ca. 320.000 Menschen im ganzen Land (vgl. Island). Besonders hart traf der Ausbruch die Bauern, da das Gebiet rund um den ausbrechenden Vulkan vor allem landwirtschaftlich genutzt wird. Deswegen sind Ausgleichszahlungen aus einem Fond der Bauernverbände und des Staates für besondere Notfälle (Bjargráðasjóð) geplant.
Auch die Tourismusbranche litt unter dem Vulkanausbruch, da viele Touristen frühzeitig ihre Buchungen stornierten, obwohl in der eigentlichen Tourismuszeit der Vulkanausbruch längst vorüber war.
Der isländische Staat hat den am Fluss Svaðbælisá liegenden Hof Önundarhorn zu dem Zweck aufgekauft, den Lauf des Flusses zu begradigen, weil er so viel Schlamm und Asche mit sich führt, dass die Brücke der Ringstraße darunter leidet.
Abschätzung der Gesundheitsrisiken
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation und britischer Fachverbände waren Gesundheitsbeeinträchtigungen durch niedergehende Vulkanasche auf dem europäischen Festland und den Britischen Inseln unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen. Die Asche enthielt Spuren gesundheitlich bedenklicher Substanzen wie Fluoride oder Schwefelsäure und konnte auch allergen und allein durch ihren mineralischen Charakter reizend wirken.
Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen rieten die Behörden in Großbritannien besonders Asthmatikern, besser zu Hause zu bleiben.
In Island selbst mehren sich im Oktober und November 2010 Hinweise auf eventuelle Gesundheitsschädigungen und allergische Reaktionen auf die Asche, von der immer noch ca. 10-15 Mill. m³ allein auf der Südseite des Eyjafjallajökull vorhanden sind. Dies gilt besonders für die Bewohner der direkt in der Nähe des Vulkans gelegenen Gebiete und da wiederum besonders für die Kinder, deren niedrigerer Wuchs stärkeres Anatmen der winzigen Aschepartikel begünstigt. Eine Langzeitstudie bezüglich möglicher Gesundheitsschädigungen wurde von der isländischen Regierung in Auftrag gegeben. Außerdem wurde im November 2010 überlegt, ob die weitere Bewirtschaftung von einigen besonders nah am Vulkan gelegenen Höfen vor allem am Fluss Svaðbælisá weiterhin ratsam sei.
Ökologische Auswirkungen
Bodenanreicherung
Nach dem Absetzen der Stäube und der Auswaschung sind auch die Pyroklastika des isländischen Vulkans – wie die aller Vulkane – mineralsalzreiche Bodenmineralien.
Mögliche Auswirkungen auf das Wachstum von Phytoplankton
Der Ausbruch könnte eventuell auch positive Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Eine britische Ozeanographenexpedition befand sich 2010/2011 im Nordmeer und untersuchte u. A. ein eventuell verlängertes Wachstum des Phytoplankton in diesem Teil des Weltmeeres. Phytoplankton wächst normalerweise im Frühjahr und Sommer, bindet dabei Kohlendioxid, stirbt dann ab und nimmt das Kohlendioxid mit zum Meeresgrund. Er benötigt Eisen zum Wachstum. Nach dem Ausbruch hat man einen erhöhten Eisenanteil im Meerwasser festgestellt.
Klimarelevanz und Prognosen
Nach dem Verhalten bei früheren Ausbrüchen, etwa dem viele Monate langen Ereignis 1821–23, konnte auch hierbei eine längere Aktivität nicht ausgeschlossen werden. Die erzeugten, bis zu 8000 Meter hohen Eruptionssäulen wurden u. A. durch Dampfexplosionen (phreatomagmatische Explosion) erzeugt, die durch das Zusammentreffen von Wasser und Lava entstehen. In dem Fall hielten allerdings die explosiven Ausbrüche auch nach Abtauen der umgebenden Eisschicht weiter an, was einerseits auf den Gasgehalt des Magmas selbst, der bei andesitischen Magmen wie in dem Fall höher ist, zurückzuführen war, möglicherweise aber auch auf das Zusammentreffen zweier Magmatypen.
Vulkanische Asche fällt relativ schnell wieder aus der Atmosphäre aus und kann sich deshalb bei kleineren Eruptionen nur regional und kurzfristig auf das Wetter auswirken. Beim aktuellen Ausbruch reichen zurzeit weder die Mengen an klimarelevanten vulkanischen Gasen, die z. Z. auf 3000 Tonnen SO2 pro Tag geschätzt werden, noch die Höhe der Eruptionssäule aus, um das Klima größerer Gebiete zu beeinträchtigen – das tritt erst ein, wenn nennenswerten Mengen in die Stratosphäre, über etwa 10 km, gelangen.
Triggern von Ausbrüchen benachbarter Vulkane
Das Ereignis von 1821 hatte – so vermutet man heute – 1823 den Ausbruch der etwa 15 km nordöstlich am Nordende des Mýrdalsjökull gelegenen weitaus größeren Katla mitverursacht, so dass auch beim Ausbruch von 2010 derartige Auswirkungen möglich sind. Man kann anhand der Erdbebenmessungen und des Tremors eine stetige Unruhe z. B. an der Goðabunga, einem am Kraterrand der Katla gelegenen Gipfel feststellen. Andererseits lässt sich bisher weder eine zwingende Abfolge von Ereignissen noch die Stärke eines eventuellen Ausbruchs vorhersagen.